Thursday, April 22, 2010
Kritik der Kritik
Im vorliegenden Fall ist es durchaus nicht so, dass die aufgeworfenen Fragen belanglos gewesen wären. Im Gegenteil wurden zentrale Probleme aufgegriffen: der Status des Architekten in der Gesellschaft, die Konkurrenzsituation im Beruf, die öffentliche Aufmerksamkeit etc. Der Architekt als öffentliche Person und insbesondere als Lehrer sollte sich dieser Verantwortung bewusst sein und stellen. Es ist andererseits aber auch die Aufgabe des Kritikers, sorgsam zwischen halbprivater Äusserung und öffentlicher Bekanntmachung abzuwägen: Nicht alles, was in mündlicher Weise polemisch formuliert wird, ist eins zu eins für die Publikation geeignet. Die namentliche Erwähnung des Architekten hat im vorliegenden Falle eher von den allgemeinen und wichtigen Fragen abgelenkt, statt die Aufmerksamkeit darauf zu fokussieren.
Reto Geiser, Laurent Stalder und Martino Stierli
Über das Seminar "Architekturkritik"
Architekturkritik findet an der Schnittstelle von architektonischer Produktion und Öffentlichkeit statt. Sie prägt damit die Wahrnehmung und Diskussion von Architektur in der Gesellschaft entscheidend mit. Entwerfende Architektinnen und Architekten fühlen sich bisweilen durch die schreibende Zunft falsch oder gar nicht verstanden oder ganz einfach ignoriert, was zu einer weit verbreiteten Frustration oder gar Irritation führt. Von diesem Befund ausgehend, setzt sich das Seminar „Architekturkritik“ zum Ziel, den Studierenden Möglichkeiten und Grenzen der Architekturkritik zu vermitteln. Die Lehrveranstaltung umfasst die theoretische Reflexion, Diskussionen an konkreten Objekten sowie aktive Textarbeit. Vom mündlichen Diskurs über die schriftliche Rezension bis hin zum Bild als Medium der Kritik werden die Studierenden verschiedene Formen des kritischen Umgangs mit Architektur kennen und anwenden lernen. Des Weiteren soll anhand der Lektüre und Diskussion theoretischer und historischer Texte die Praxis der Architekturkritik selbst reflektiert werden. Schliesslich wollen wir auch darüber nachdenken, inwiefern Kritik als Instrument für den Entwurf nützlich gemacht werden kann.
Das Seminar gliedert sich in drei Abschnitte. In einer ersten Phase werden die theoretischen Grundlagen anhand der Lektüre und Diskussion einschlägiger Texte und von Referaten erfahrener Kritikerinnen und Kritiker erarbeitet. In einem zweiten Schritt werden Bauten vor Ort besucht, um anhand der direkten räumlichen und visuellen Erfahrung ein Begriffsinstrumentatrium für die Kritik zu entwickeln, aber auch den sprachlichen Ausdruck zu üben. Schliesslich rückt im dritten Teil das Handwerk in den Vordergrund, indem die Studierenden eigene Rezensionen verfassen, die nach Möglichkeit veröffentlicht werden sollen.
Reto Geiser und Martino Stierli
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