Saturday, April 10, 2010

ebenfalls zu Besuch bei FuhrimannHächlers

Herr Fuhrimann hat zudem auch einige Worte über das Programm des Hauses verloren. Klares Ziel war es, für die jeweils vier Parteien des Mehrfamilienhauses ein Einfamilienhauscharakter zu erzeugen. Dies sollte vor allem über die Orientierung erreicht werden. Jede Partei hat durch ihre Wohnung in alle sechs Richtungen (Himmelsrichtungen + oben und unten) Bezüge, bzw. die Möglichkeit eines "Rundumerlebnisses". Durch dieses Konzept wurden die Wohnungen unterschiedlichst ineinander "verschachtelt" statt die Parteien geschossweise oder nebeneinander zu organisieren. Die Wohnungen bzw. die Einfamilienhäuser im Mehrfamilienhaus besitzen zudem keine eigene Adresse, durch ein zentrales Treppenhaus werden die vier Wohnungen auf der gleichen Ebene erschlossen; wie in jedem normalen Mehrfamilienhaus auch. Ich behaupte, dass durch die "Verschachtelung" ein Mehrfamlienhauscharakter nicht vermindert, sondern noch verstärkt wurde. Die Bewohner haben nicht jeweils nur unterhalb und oberhalb oder seitlich einen Nachbar, nein, sie besitzen auf allen Ebenen NachbarN (nämlich nicht immer der Gleiche). Herr Fuhrimann erwähnte, dass die Bewohner noch froh sind, dass sie ab und zu einen Nachbarn hören.. Müssen sie ja wohl, denn würden sie dieses Gefühl nicht schätzen, wären sie in ein freistehendes Einfamilienhaus gezogen.
Durch jedes noch so schön hergeleitetes Konzept kann ein Einfamilienhauscharakter in einem Mehrfamilienhaus nicht herbeikonzeptiert, herbeigeredet und am allerwenigsten herbeigefühlt werden.
Der Anstoss für das Konzept ist absolut berechtigt in Anbetracht der steigenden Zersiedelung. Doch mit dem Satz: "Dieses Haus war ein Experiment und ist nicht für die Ewigkeit gebaut", hat Herr Fuhrimann das ökologische Argument für das Konzept gerade selbst zerschlagen.
Mein Aufruf an Architekten: Akzeptiert Wünsche und Gewohnheiten der Bauherrn und arbeitet mit diesen, aber hört auf irgendwelche Konzepte schönzureden, die vom Bewohner vielleicht noch verstanden werden können, aber FÜHLEN kann solche Konzepte niemand (wenn der Architekt ehrlich wäre, auch er nicht...).

3 comments:

  1. Die beiden verstehen es wirklich mit dem Raum umzugehen. Ich glaube dass ein Konzept ein wichtiges Entwurfsinstrument sein kann, ein Konzept alleine schafft jedoch noch keine gute Architektur. Die vier Wohnungen sollen nicht (nur) der Komplexheit wegen ineneinander verschachtelt sein, sondern wegen der wunderbaren Räume welche daraus entstehen. Im Gegensatz zu Dir glaube ich jedoch daran, dass die Wohnungen wirklich Einfamilienhauscharakter haben, auch weil jede Wohnung individuell ist. Ausserdem verfügt jede Wohnung über ein Cheminée, ein Element welches mir in den Entwürfen von AFGH sehr zentral scheint und meiner Meinung sehr viel zum Einfamilienhauscharakter beiträgt.

    ReplyDelete
  2. im folgenden nehme ich bezug auf einige aussagen von ania res:

    „...durch ein zentrales treppenhaus werden die vier wohnungen auf der gleichen ebene erschlossen; wie in jedem normalen Mehrfamilienhaus auch.“

    was die bauherren nicht wollten, sind 4 identische übereinandergestapelte wohnungen. In so einem mehrfamilienhaustyp wäre pro stockwerk ein wohnungseingang platziert gewesen, also vertikal gestapelte eingänge, nicht auf einer ebene. ein vertikal durchgehendes treppenhaus über alle vier stockwerke hätte die Wohnungen erschlossen. was sie gebaut haben ist eine 2 geschossige eingangszone, ähnlich dem eingangsbereich eines einfamilienhauses bzw einer wohnung. man trifft sich. man kennt sich. das gebäude liegt an der schnittstelle zwischen wg und mehrfamilienhaus.

    „Ich behaupte, dass durch die "Verschachtelung" ein Mehrfamlienhauscharakter nicht vermindert, sondern noch verstärkt wurde.“

    in bezug auf die akustik hast du eventuell recht. jedoch ist dies ein vernachlässigbarer und sehr technischer punkt. meiner meinung nach wird ein einfamilienhauscharakter nicht dadurch definiert, ob man von seinen trotzdem existierenden nachbarn ab und zu einen mux höhrt oder nicht, sondern dadurch, dass man sich der individualität seines eigenen wohnraumes bewusst ist. das gebäude ist ein konglomerat aus 4 verschiedenen wohnungen. keine ist identisch wie die andere.
    dagegen steht der klassische mehrfamilienhaus-mief: x identische Wohnungen, keine berührungspunkte und gemeinschaftszonen, ausser das mit schuhkästen und schönen fussabtretern „belebte“ treppenhaus.
    neben der individualität spricht andi mit dem „einfamilienhauscharakter“ wohl auch die äussere erscheinung des gebäudes an, welche durch die verschachtelung nicht auf eine vertikale stapelung hinweisen muss und keine auskunft darüber gibt, wie viele parteien dieses gebäude bewohnen.

    ReplyDelete
  3. Lieber georgk

    Dass durch die Ausrichtung der einzelnen Wohnungen ein Einfamilienhauscharakter erzeugt wird ist unbestreitbar. Doch die Ausrichtung ist gut und schön aber nicht alles.
    Es geht mir eben gerade nicht um die Akustik, bzw. um einen technischen Aspekt, sondern um das FÜHLEN! Dieses fühlen hat nichts mit unseren fünf Sinnen zu tun (oder evt. in Kombination?!), sondern es ist etwas, das schwierig zu beschreiben ist, irgendwo zwischen Herz und Kopf sitzt, mit Erfahrung und Kultur zu tun hat, aber auch, zugegeben, wahrscheinlich individuell ist.

    ReplyDelete

Über das Seminar "Architekturkritik"

Architekturkritik findet an der Schnittstelle von architektonischer Produktion und Öffentlichkeit statt. Sie prägt damit die Wahrnehmung und Diskussion von Architektur in der Gesellschaft entscheidend mit. Entwerfende Architektinnen und Architekten fühlen sich bisweilen durch die schreibende Zunft falsch oder gar nicht verstanden oder ganz einfach ignoriert, was zu einer weit verbreiteten Frustration oder gar Irritation führt. Von diesem Befund ausgehend, setzt sich das Seminar „Architekturkritik“ zum Ziel, den Studierenden Möglichkeiten und Grenzen der Architekturkritik zu vermitteln. Die Lehrveranstaltung umfasst die theoretische Reflexion, Diskussionen an konkreten Objekten sowie aktive Textarbeit. Vom mündlichen Diskurs über die schriftliche Rezension bis hin zum Bild als Medium der Kritik werden die Studierenden verschiedene Formen des kritischen Umgangs mit Architektur kennen und anwenden lernen. Des Weiteren soll anhand der Lektüre und Diskussion theoretischer und historischer Texte die Praxis der Architekturkritik selbst reflektiert werden. Schliesslich wollen wir auch darüber nachdenken, inwiefern Kritik als Instrument für den Entwurf nützlich gemacht werden kann.

Das Seminar gliedert sich in drei Abschnitte. In einer ersten Phase werden die theoretischen Grundlagen anhand der Lektüre und Diskussion einschlägiger Texte und von Referaten erfahrener Kritikerinnen und Kritiker erarbeitet. In einem zweiten Schritt werden Bauten vor Ort besucht, um anhand der direkten räumlichen und visuellen Erfahrung ein Begriffsinstrumentatrium für die Kritik zu entwickeln, aber auch den sprachlichen Ausdruck zu üben. Schliesslich rückt im dritten Teil das Handwerk in den Vordergrund, indem die Studierenden eigene Rezensionen verfassen, die nach Möglichkeit veröffentlicht werden sollen.

Reto Geiser und Martino Stierli

Followers