Tuesday, March 30, 2010

Anstehen für Gaudi


Besuche in Europas Kulturmetropolen wie Paris, Rom oder Amsterdam führen ja früher oder später immer zu der Frage, welche wichtigen Gebäude man gesehen haben muss, bevor man mit gutem Gewissen die Heimreise antreten kann und nicht das Gefühl hat, etwas verpasst zu haben. Gleichzeitig befällt einem beim Gedanken an das Schlange stehen vor dem Eiffelturm oder Petersdom bereits wieder eine gewisse Unlust, sich unter die Photos knipsenden Touristen zu mischen, nur um danach sagen zu können, man sei auch dort gewesen.
So auch letzte Woche in Barcelona, als ich - bereits zum dritten Mal in dieser Stadt - beschloss, dass ich dieses Mal die Sagrada Familia doch endlich auch von Innen sehen möchte. Also erst einmal beim Tickethäuschen anstehen und trotz beängstigend lange wirkender Warteschlange steht man schon nach kurzer Zeit einer jungen Billetverkäuferin gegenüber. Studentin? Ja! Legi? Nicht dabei. Also doch keine erhoffte Ermässigung, sondern stolze 12 Euro Eintritt (was ganzen drei take away Pizzas im Barrio Gotico entspricht). Danach im Gänsemarsch hinein in die Kirche, und nach einer 2/3 Umrundung der Aussenmauer entlang auch bereits wieder hinaus, denn der Grossteil des Innenraumes ist abgesperrt und mit Baugerüsten vollgestellt - der Charme des unvollendeten Werkes. Da dieser doch etwas kurze Einblick in Gaudis Schaffen noch nicht wircklich befriedigend war also die Frage: Anstehen für den Lift auf den Turm? Ein Schild warnt vor einer Gebühr von weiteren 2.50 Euro und einer Wartezeit von 30min. Also den dicken Amerikanern ein Vorbild sein und Treppensteigen! Eine Informationsangestellte erklärt aber, die Treppe sei nur für den Abstieg erlaubt, nach oben komme man nur mit dem Lift. Doch anstehen und bezahlen. Als man dann endlich oben ist, entschädigt der Blick auf die Stadt und auf das Bauwerk selbst, das als ewige Baustelle doch - oder eben gerade dadurch - fasziniert, für einiges an Gedränge und Ausgaben. Ein amerikanischer Tourist erzählt, er sei zuletzt bereits vor sechs Jahren hier gewesen und wieder gekommen, um zu sehen ob sich bei den Bauarbeiten seither etwas getan habe, was nicht der Fall sei.
Als man schliesslich dieses architektonische Meisterwerk verlässt, hat man zwar durchaus das Gefühl, ein wichtiges Stück menschlichen Kulturgutes besichtigt zu haben, aber was eigentlich bleibt von Barcelona sind die tausend kleinen Gässchen der Altstadt, die angenehm leicht verlottert wirkenden Fassaden, die vielen sonnigen Plazas, die gemütlichen Bars und das rege Leben auf der Strasse, bis spät in die Nacht.

No comments:

Post a Comment

Über das Seminar "Architekturkritik"

Architekturkritik findet an der Schnittstelle von architektonischer Produktion und Öffentlichkeit statt. Sie prägt damit die Wahrnehmung und Diskussion von Architektur in der Gesellschaft entscheidend mit. Entwerfende Architektinnen und Architekten fühlen sich bisweilen durch die schreibende Zunft falsch oder gar nicht verstanden oder ganz einfach ignoriert, was zu einer weit verbreiteten Frustration oder gar Irritation führt. Von diesem Befund ausgehend, setzt sich das Seminar „Architekturkritik“ zum Ziel, den Studierenden Möglichkeiten und Grenzen der Architekturkritik zu vermitteln. Die Lehrveranstaltung umfasst die theoretische Reflexion, Diskussionen an konkreten Objekten sowie aktive Textarbeit. Vom mündlichen Diskurs über die schriftliche Rezension bis hin zum Bild als Medium der Kritik werden die Studierenden verschiedene Formen des kritischen Umgangs mit Architektur kennen und anwenden lernen. Des Weiteren soll anhand der Lektüre und Diskussion theoretischer und historischer Texte die Praxis der Architekturkritik selbst reflektiert werden. Schliesslich wollen wir auch darüber nachdenken, inwiefern Kritik als Instrument für den Entwurf nützlich gemacht werden kann.

Das Seminar gliedert sich in drei Abschnitte. In einer ersten Phase werden die theoretischen Grundlagen anhand der Lektüre und Diskussion einschlägiger Texte und von Referaten erfahrener Kritikerinnen und Kritiker erarbeitet. In einem zweiten Schritt werden Bauten vor Ort besucht, um anhand der direkten räumlichen und visuellen Erfahrung ein Begriffsinstrumentatrium für die Kritik zu entwickeln, aber auch den sprachlichen Ausdruck zu üben. Schliesslich rückt im dritten Teil das Handwerk in den Vordergrund, indem die Studierenden eigene Rezensionen verfassen, die nach Möglichkeit veröffentlicht werden sollen.

Reto Geiser und Martino Stierli

Followers

Blog Archive