Tuesday, March 9, 2010


Die Berichterstattung über Architektur wurde im Kurs ja schon öfters thematisiert. Das folgende Interview mit dem japanischen Architekten Riken Yamamoto erschien auf der Online-Ausgabe des Tagesanzeigers:

http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/architektur/Der-Flughafen-ist-eine-Welt-fuer-sich/story/25022161

Das Interview handelt vom neuen Dienstleistungszentrum "The Circle" beim Flughafen Zürich. Zum Ersten geht die Journalistin der Frage nach, was den Architekten an diesem Projekt speziell gereizt hätte. Man erfährt unter anderem, dass der Flughafen Zürich von grosser Bedeutung sei, und er sei "eine Welt, ein Kultur für sich". Da diese doch gehaltvolle Aussage nicht näher ausgeführt wird, ist man der Spekulation überlassen. Der Flughafen Zürich mag eine Welt für sich sein, doch sind nicht unzählige andere Flughäfen auf der Welt ebenso eine Welt für sich? Was ist denn an jenem in Zürich so besonders eigen? Mit dem jedoch nicht genug. Man sieht sich auch der Assage gegenüber, der hiesige Flughafen sei, quasi als Steigerung der "Welt für sich", eine eigene Kultur für sich. Auch hier lässt sich nur raten, was mit der Zürcher Flughafenkultur gemeint ist.
Dieser Kommentar zur ersten Frage könnte auf ähnliche Weise für einige andere Stellen des Interviews wiederholt werden. Vielerorts liest man Aussagen zur Architektur, welche an sich zwar einen gewissen Inhalt haben, die dann jedoch nicht näher ausgeführt werden. Das Gespräch bleibt auf einem ziemlich oberflächlichen Niveau. So zum Beispiel auch bei der folgenden Passage:

"Der Circle wird riesig. Werden sich die Menschen hier wohlfühlen?
Davon bin ich überzeugt. Der Bau ist kein Ort des rationalisierten, ökonomisierten Highendbereichs, er soll auf sympathische Weise den hohen Lebensstandard und die zeitgenössische Schönheit der Schweiz zeigen."

Die Frage, ob sich die Menschen in dem Gebäude wohlfühlen werden, finde ich an sich eine wichtige und gar nicht oberflächliche Frage. Sie spricht ein zentrales Thema der Architektur an. Umso enttäuschender ist dafür die Antwort, welche nur schon nur ihre Kürze nichts sehr tiefgreifendes verheissen mag. Die Art und Weise, wie die Themen der Schweiz (hoher Lebensstandart und zeitgenössische Schönheit) durch die Architektur dargestellt werden, wird bloss als "sympatisch" bezeichnet. Dies ist relativ weit entfernt von einer architektonischen Aussage, welche zum Beispiel Aussagen zur Volumetrie und zur Raumdisposition beinhalten würden.

Ich möchte jedoch nicht zu lange beim Text verweilen und einen Aspekt beleuchten, welchen ich im Zusammenhang mit diesem Projekt interessant finde. Das Projekt erinnert einen in seiner Grösse und Vielfältigkeit an geweisse Megastruktur- Projekte der 60er- Jahre. Nachdem man in der folgenden Zeit von solch grossen Ausmassen in der Architektur etwas weggekommen ist, scheinen sie heute wieder verstärkt zum Zug zu kommen. Ich denke zum Beispiel an das Westside- Centre von Daniel Libeskind. Sie stehen bevorzugt an sehr gut erschlossenen Orten (Hier an der Autobahn das Westside- Centre bzw. bei Flughafen der Circle), und wissen die Standortgunst durch messerscharfe Kalkulation perfekt auszunutzen, und entsprechend daraus Profit zu schlagen. Natürlich trägt die Lage in der Peripherie dazu bei, dass diese Gebäude oftmals etwas abgeschlossene, "eigene Welten" sind und kaum mit der Aussenwelt kommunizieren. Der ökonomische Gehalt dieser Gebäude erscheint mir absolut vorherrschend, was wahrscheinlich auch für dieses Gebäude zutreffen wird.
Etwas polemisch könnte man nun fragen: Hat diese konsumorientierte Architektur in den kurzweiligen und massentauglichen Online- Zeitungen nun ihr Gegenstück gefunden?

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Über das Seminar "Architekturkritik"

Architekturkritik findet an der Schnittstelle von architektonischer Produktion und Öffentlichkeit statt. Sie prägt damit die Wahrnehmung und Diskussion von Architektur in der Gesellschaft entscheidend mit. Entwerfende Architektinnen und Architekten fühlen sich bisweilen durch die schreibende Zunft falsch oder gar nicht verstanden oder ganz einfach ignoriert, was zu einer weit verbreiteten Frustration oder gar Irritation führt. Von diesem Befund ausgehend, setzt sich das Seminar „Architekturkritik“ zum Ziel, den Studierenden Möglichkeiten und Grenzen der Architekturkritik zu vermitteln. Die Lehrveranstaltung umfasst die theoretische Reflexion, Diskussionen an konkreten Objekten sowie aktive Textarbeit. Vom mündlichen Diskurs über die schriftliche Rezension bis hin zum Bild als Medium der Kritik werden die Studierenden verschiedene Formen des kritischen Umgangs mit Architektur kennen und anwenden lernen. Des Weiteren soll anhand der Lektüre und Diskussion theoretischer und historischer Texte die Praxis der Architekturkritik selbst reflektiert werden. Schliesslich wollen wir auch darüber nachdenken, inwiefern Kritik als Instrument für den Entwurf nützlich gemacht werden kann.

Das Seminar gliedert sich in drei Abschnitte. In einer ersten Phase werden die theoretischen Grundlagen anhand der Lektüre und Diskussion einschlägiger Texte und von Referaten erfahrener Kritikerinnen und Kritiker erarbeitet. In einem zweiten Schritt werden Bauten vor Ort besucht, um anhand der direkten räumlichen und visuellen Erfahrung ein Begriffsinstrumentatrium für die Kritik zu entwickeln, aber auch den sprachlichen Ausdruck zu üben. Schliesslich rückt im dritten Teil das Handwerk in den Vordergrund, indem die Studierenden eigene Rezensionen verfassen, die nach Möglichkeit veröffentlicht werden sollen.

Reto Geiser und Martino Stierli

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