Thursday, March 11, 2010

[...] denn über die Ästhetik lacht er [...]

Als ungeübte Bloggerin stellt sich mir als erstes die Frage: muss ich das alles lesen was die andern so schreiben? Und muss ich darauf reagieren? Oder inszeniert man seine eigene Meinung frei nach „fuck the context“ und zelebriert das Aneinandervorbei-Reden? Da dies wohl die einfachere Variante ist, fällt die Wahl nicht schwer und möge mir angesichts meiner Unerfahrenheit verziehen werden. Wenn ich schon nicht auf die anderen Blogger Bezug nehme, so wenigstens auf die letzte Stunde und das Input-Referat zur Frage „Was ist Architekturkritik?“.

„Balzac sinnt über die schönen Künste nach, indem er sie konstruiert. Er sucht nicht nach Urteilsmassstäben, denn über die Ästhetik lacht er, er sucht nach Produktionsbedingungen, weil er nach der aktiven Praxis des Künstlers fragt. Vor der mühelosen Kritik steht die mühevolle Arbeit des Schaffenden. Vor der Metasprache des Urteils, muss man zunächst etwas konstruieren.“ (Michel Serres, Der Hermaphrodit, 1989)

Dieses Zitat von Serres passt zu der im Referat geschilderten transzendentalen Art der Kritik (von Serres jedoch hier nicht als Kritik, sondern als Suche nach den Produktionsbedigungen bezeichnet), welche nach den Bedingungen für die Möglichkeit von etwas (z.B. Architektur) fragt. Zugleich mockiert er sich über eine ästhetisch urteilende Kritik. Die beiden Kritikarten lassen sich einerseits zeitlich einordnen in ein Vorher und Nachher, anderseits implizieren sie auch eine Unterscheidung was die kritisierende Person betrifft. Während der transzendentale Kritiker von Architektur selbst Architekt sein muss, ist die Person des urteilenden Kritikers offen (Laie, Architekt, Wissenschaftler etc.). 

Ich frage mich, ob diese Unterscheidung nicht tauglich wäre, um Kritiken, wie sie in der Entwurfspraxis an der Schule und in Wettbewerben geübt wird, von Kritiken in Architekturzeitschriften zu unterscheiden. Was natürlich nicht heissen soll, das letzere lachhaft seien. Aber vielleicht nie „konstruktiv“ in dem Sinne, dass sie nicht primär nach den Produktionsbedigungen fragen oder Aufschluss über diese geben.

Kurz: Braucht Architektur Kritik? In transzendentalem Sinn verstanden bestimmt, denn sie ist Voraussetzung von Architektur. Bliebe die Frage offen, ob denn die Suche nach den Produktionsbedingungen nicht letztendlich auch über eine urteilende Kritik läuft, sei es im Sinne des Textes von Falk Jaeger als Analyse, Interpretation oder Urteil des kulturhistorischen Kontexts.

 

 

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Über das Seminar "Architekturkritik"

Architekturkritik findet an der Schnittstelle von architektonischer Produktion und Öffentlichkeit statt. Sie prägt damit die Wahrnehmung und Diskussion von Architektur in der Gesellschaft entscheidend mit. Entwerfende Architektinnen und Architekten fühlen sich bisweilen durch die schreibende Zunft falsch oder gar nicht verstanden oder ganz einfach ignoriert, was zu einer weit verbreiteten Frustration oder gar Irritation führt. Von diesem Befund ausgehend, setzt sich das Seminar „Architekturkritik“ zum Ziel, den Studierenden Möglichkeiten und Grenzen der Architekturkritik zu vermitteln. Die Lehrveranstaltung umfasst die theoretische Reflexion, Diskussionen an konkreten Objekten sowie aktive Textarbeit. Vom mündlichen Diskurs über die schriftliche Rezension bis hin zum Bild als Medium der Kritik werden die Studierenden verschiedene Formen des kritischen Umgangs mit Architektur kennen und anwenden lernen. Des Weiteren soll anhand der Lektüre und Diskussion theoretischer und historischer Texte die Praxis der Architekturkritik selbst reflektiert werden. Schliesslich wollen wir auch darüber nachdenken, inwiefern Kritik als Instrument für den Entwurf nützlich gemacht werden kann.

Das Seminar gliedert sich in drei Abschnitte. In einer ersten Phase werden die theoretischen Grundlagen anhand der Lektüre und Diskussion einschlägiger Texte und von Referaten erfahrener Kritikerinnen und Kritiker erarbeitet. In einem zweiten Schritt werden Bauten vor Ort besucht, um anhand der direkten räumlichen und visuellen Erfahrung ein Begriffsinstrumentatrium für die Kritik zu entwickeln, aber auch den sprachlichen Ausdruck zu üben. Schliesslich rückt im dritten Teil das Handwerk in den Vordergrund, indem die Studierenden eigene Rezensionen verfassen, die nach Möglichkeit veröffentlicht werden sollen.

Reto Geiser und Martino Stierli

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