Tuesday, March 9, 2010

Die Ehrfurcht vor dem Architekten













Als ich mich letzten Sonntag zum nahegelegenen Schulhaus begab, um meinen Abstimmungszettel in die Urne zu werfen, wurde ich von einem jungen Mann angesprochen, der Unterschriften sammelte gegen das geplante Nagelhaus am Escher-Wyss-Platz. Da ich ziemlich in Eile war und ausserdem keine wirckliche Abneigung gegen dieses Projekt hatte, ging ich weiter ohne zu unterschreiben. Erst nach einigen Schritten begann ich mich zu fragen, warum ich mir die Zeit nehme, um über Dinge wie die Frage, ob die Schweiz Tieranwälte braucht oder nicht, abzustimmen, aber mir keine grossen Gedanken darüber mache, ob die Stadt Zürich 6 Millionen Franken für ein kleines Gebäude ausgeben soll, dass nicht mehr als ein kleines Restaurant, einen Kiosk und ein WC enthält. Es ist ja nicht so, dass ich den Entwurf schlecht finde, aber finde ich ihn gut? So gut, dass es sich lohnt, ihn wircklich zu realisieren? Oder gefällt mir einfach der Gedanke, dass an diesem nicht sehr attraktiven Ort ein Gebäude von Caruso St.John entsteht? Die Idee, ein Haus aus der chinesischen Stadt Chongquing nachzubauen, dessen Foto um die Welt ging, weil sich dessen Besitzer lange weigerte, einem geplanten Einkaufszentrum zu weichen, wodurch es zuletzt alleine, mitten in einer riesigen Erdgrube stand, wäre vielleicht für einen temporär gedachten Bau ganz nett, aber irgendwann verliert das Ganze seinen Reiz. Es hat sogar ziemlich etwas ironisches, wobei Architektur ja eigentlich nie Ironie sein sollte. So habe ich auf dem Rückweg dann doch noch unterschrieben, oder warum sollten die Zürcher nicht die Möglichkeit bekommen, über dieses geplante Projekt abzustimmen? Man muss doch den Leuten zutrauen, dass sie erkennen, ob dieses Haus für die Stadt einen Mehrwert generiert oder nur die Funktion eines mini-iconic Building erfüllt.

1 comment:

  1. Auch ich bin kein besonderer Bewunderer von diesen Gebäude und stehe seiner Realisierung auch relativ indifferent gegenüber. Es ist weder schön, nocht besonders brauchbar.

    Was aber seine Qualität ausmacht, ist doch diese von die beschriebene Ironie: 6 Millionen für ein Denkmal für einen sturen Chinesen, das ist lustig, das ist geschichtsträchtig, das gibt eine neue Geschichte zu erzählen für die Zürcher, für jeden Zürcher. Es ist ein Anstoss nicht zu einer anregenden Diskussion, aber zu einem quirrligen Plausch und das ist doch eine beachtiliche Leistung, oder?

    Hoeoer

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Über das Seminar "Architekturkritik"

Architekturkritik findet an der Schnittstelle von architektonischer Produktion und Öffentlichkeit statt. Sie prägt damit die Wahrnehmung und Diskussion von Architektur in der Gesellschaft entscheidend mit. Entwerfende Architektinnen und Architekten fühlen sich bisweilen durch die schreibende Zunft falsch oder gar nicht verstanden oder ganz einfach ignoriert, was zu einer weit verbreiteten Frustration oder gar Irritation führt. Von diesem Befund ausgehend, setzt sich das Seminar „Architekturkritik“ zum Ziel, den Studierenden Möglichkeiten und Grenzen der Architekturkritik zu vermitteln. Die Lehrveranstaltung umfasst die theoretische Reflexion, Diskussionen an konkreten Objekten sowie aktive Textarbeit. Vom mündlichen Diskurs über die schriftliche Rezension bis hin zum Bild als Medium der Kritik werden die Studierenden verschiedene Formen des kritischen Umgangs mit Architektur kennen und anwenden lernen. Des Weiteren soll anhand der Lektüre und Diskussion theoretischer und historischer Texte die Praxis der Architekturkritik selbst reflektiert werden. Schliesslich wollen wir auch darüber nachdenken, inwiefern Kritik als Instrument für den Entwurf nützlich gemacht werden kann.

Das Seminar gliedert sich in drei Abschnitte. In einer ersten Phase werden die theoretischen Grundlagen anhand der Lektüre und Diskussion einschlägiger Texte und von Referaten erfahrener Kritikerinnen und Kritiker erarbeitet. In einem zweiten Schritt werden Bauten vor Ort besucht, um anhand der direkten räumlichen und visuellen Erfahrung ein Begriffsinstrumentatrium für die Kritik zu entwickeln, aber auch den sprachlichen Ausdruck zu üben. Schliesslich rückt im dritten Teil das Handwerk in den Vordergrund, indem die Studierenden eigene Rezensionen verfassen, die nach Möglichkeit veröffentlicht werden sollen.

Reto Geiser und Martino Stierli

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