Tuesday, March 9, 2010

Gero von Boehm begegnet Daniel Libeskind

Vor wenigen Minuten (08.03.2010 22:25 Uhr) kam auf 3sat die Sendung: Gero von Boehm begegnet Daniel Libeskind.

Hier eine kurze Biografie von Libeskind:

Der Architekt Daniel Libeskind wurde 1946 in Lodz in Polen geboren. Er war 11 Jahre alt als seine Eltern mit ihm zusammen nach Israel auswanderten. Schon früh fiel er als musikalisches Wunderkind auf und gab als kleiner Starpianist Konzerte. Ein Stipendium der America-Israel Cultural Foundation ermöglichte ihm einen Studienaufenthalt in New York, wohin die Familie 1960 übersiedelte. Dort studierte Libeskind zunächst Musik, später Malerei und Mathematik. Den Lebensunterhalt verdiente er sich als professioneller Musiker.

Ich weiss nicht ob jemand von euch ebenfalls diesen Filmbeitrag gesehn hat. Ich fand den Beitrag jedenfalls sehr interessant und hat mich gleich dazu angeregt darüber zu schreiben.

Natürlich wurde viel über Libeskind’s Gebäude gesprochen, Ground Zero New York, Jüdische Museum Berlin, seine kürzlich entworfene Passivhaus Villa für 2 Millionen und so weiter.

Was ich jedoch viel Spannender fand war die Unterhaltung mit Gero von Boehm in welchen Zusammenhang die Entwürfe von Libeskind mit seiner jüdischen Abstammung stehen. Ob der Verlust seiner Familie mütterlicher Seite durch die National Sozialisten besondere Emotionen mit einbringen.

Natürlich kann man seine Entwürfe auf städtebaulicher Ebene Kritisch sehen. Die Art und Weisse wie sich seine Gebäude als kräftige, Platzhirsch ähnliche Solitäre, radikal darstellen und keinerlei Rücksicht nehmen auf die Umgebung. Was mich aber immer wieder ins staunen versetzt sind die entwickelten Innenräume.

Leider kenne ich das Jüdische Museum Berlin nur aus Büchern und Publikationen muss aber sagen das mich die entworfenen Inneräume stark beeindruckten selbst im print format.

Auf die Frage was Libeskind den in seiner Freizeit tun würde? Ob er Architektur besichtigt? Antwortet Daniel Libeskind:

In der Freizeit beschäftigt ich mich lieber mit guter Literatur, denke nach, beschäftige mich mit Kunst, mit normalen alltäglichen Dingen um die Gesellschaft zu verstehen in der wir leben.

Wie man in der Biografie von Libeskind lesen kann war es keines Weg so das Libeskind direkt nach der Schule zum Architekturstudium wechselte. Er probiert aus, spielt professionell Musik und studiert Mathematik. Seine Mutter hielt nicht viel vom brotlosen Künstlerleben und überzeugte ihn als sie sagte: "Wenn du ein Architekt bist, dann bist du auch ein Künstler. Aber wenn du ein Künstler bist, kannst du nicht gleichzeitig Architekt sein."

Für Libeskind ist es wichtig das seine Gebäude eine Art Spiegel der heutigen Gesellschaft sind und sie dadurch an Akzeptanz in der Bevölkerung gewinnen.

Die Wiederholung könnt ihr am 10.03.2010 um 6:00 Uhr sehen.

2 comments:

  1. Gerne hätte ich den Beitrag auch gesehen. Die Mehrzahl der heutigen Architekten kreieren "art pour l'art" und versuchen anhand von historischen Referenzen sich bei ihren Architektenkollegen zu rechtfertigen.
    Leider aber führt das oft zu viel zu subtilen Lösungen, die die Dilettanten nicht mehr deuten können.
    Liebeskind widersetzt sich diesem Architekten-Main-Stream und baut eine Architektur, die auch auf trivialer Ebene durch ihre "Fancyness" anregend ist und nicht nur Fachidiotenlektüre ist. Das wird natürlich verpönt von den Main-Stream-Architekten: Sie beneiden ihn, um die Freiheiten, die er sich nimmt und mit denen er GEFÄLLT, allen gefällt.

    Zudem gibt es die symbolisch lyrische Ebene seiner Architektur, die ihn als Author charakterisiert, die ihn zum Künstler macht. Wie vielseitig Architektur doch sein kann, ohne Firmitas und Utilitas vernachlässigen zu müssen, WUNDERVOLL!

    Hoeoer

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  2. „Für Libeskind ist es wichtig, dass seine Gebäude eine Art Spiegel der heutigen Gesellschaft sind und sie dadurch an Akzeptanz in der Bevölkerung gewinnen.“

    Ich finde die Idee der Architektur als Spiegel der zeitgenössischen Gesellschaft aufschlussreich. Gesellschaft kann man als eine Gemeinschaft definieren, die bestimmte anerkannte Gewohnheiten, Normen und Ansichten teilt. Der Architekt als Künstler, als welcher Libeskind sich zu wähnen scheint, findet hier Inspiration im Durchschnittsmenschen, für den er ein Gebäude wohl oder übel baut. Andererseits kann er den Durchschnittsmenschen verhöhnen, indem er ihm ein Gebäude entwirft, welches letzterer niemals verstehen wird, mit dem er sich nicht identifizieren kann, da es als absolut persönlicher Ausdruck der Weltauffassung des Architekten im Raum steht. Gerade hier liegt jedoch der Ausdruck einer zeitgenössischen ich-bezogenen Fragmentierung (man denke an die populäre Auseinandersetzung mit Individualität, Privatsphäre, dem iPhone, iPod, iEtc., zur Charakterisierung des Momentanen), also kann man wohl als Architekturlaie (und möglicherweise auch als Kenner) ein Berner Westside ansprechend finden, weil es so ‚anders‘ ist, auch wenn man kaum nachvollziehen wird warum die Lampenstreifen knallrosa sind, auf welcher Logik die Vielfalt an aggressiven Winkeln besteht, warum ein Candy-Cane-Hasenloch an diesem Ort, auf dem Land kurz vor Bern, entstand.

    Wäre es überhaupt vermeidbar als Architekt einen Spiegel der Gesellschaft zu entwerfen? Unsere Denkweise ist geprägt von den Erkenntnissen und Methoden auf denen das Wissen unserer Gesellschaft baut, unser Geschmack, unsere Meinungen und Ideen sind immer eine Reaktion auf Existierendes. Gesellschaft, mit ihren Prioritäten und Bedürfnissen wird zwangsweise durch die Definition der Bauaufgabe mit dem Entwurfsprozess verschmolzen. Wenn nun das Unumgängliche zum Ziel der Architektur wird, dann wird sie zum flachen Abbild ihres Potenzials und der Architekt wird zum invertierten Bauchredner, der in seinem oberflächlichen und anmaßenden Eifer für eine gesamte Gesellschaft zu sprechen, übersieht, dass seine individuelle Interpretation nur ihn selbst als Produkt der Gesellschaft zum Ausdruck bringt.


    Worin liegt die Motivation Architektur als Repräsentierung einer Gesellschaft zu schaffen – der Wunsch ein Gebäude zu erstellen vor das ein Spezimen der Gesellschaft treten kann um zu erkennen ‚da bin ich - so bin ich’? Oder bei dessen Ansicht ein Spezimen einer Zukunftsgesellschaft denken wird, 'wie gut das ich so nicht mehr bin’? Liegt nicht im Gedanken der Architektur als das Repräsentieren eines Augenblicks immer das Bedürfnis in der Zukunft als relevant zu gelten (was aber im Jetzt-Eifer nicht zugegeben werden kann, also wird mit gespielter Gleichgültigkeit 5-Jahre-Garantie Ware gebaut)? Der Mensch von heute kennt seine Gesellschaft besser als sie jemals gekannt werden wird, er braucht sie also von allen Nutzern in der Lebensdauer eines Gebäudes am wenigsten in gebauter Form lesbar. Entdeckt man nicht eine Art schizophrener Neurose im Ziel des Spiegelbildes? Das Verlangen, den Augenblick unseres Daseins innerhalb einer spezifischen Gesellschaft in einer dauerhafteren Form einzufangen und zu isolieren, um sie dadurch fassbarer und bedeutsamer zu machen, scheint einer inhärente Überzeugung zu entspringen, dass wir, samt unseren Gebäuden furchtbar unbedeutend sind. Möglicherweise hängt dies mit einer Unfähigkeit zusammen, Architektur als zeitgenössische Interpretation einer Tradition zu erkennen, die so dauerhaft ist, wie die Menschheit selbst, und sie stattdessen auf den Ausdruck des Moments herabgestuft wird.

    Die Idee des Spiegels ist in ihrer Essenz visuell, hart, oberflächig und verwechselt Erkennen mit Erkenntnis, Sehen mit Verstehen, Repräsentieren mit Repräsentanz.

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Über das Seminar "Architekturkritik"

Architekturkritik findet an der Schnittstelle von architektonischer Produktion und Öffentlichkeit statt. Sie prägt damit die Wahrnehmung und Diskussion von Architektur in der Gesellschaft entscheidend mit. Entwerfende Architektinnen und Architekten fühlen sich bisweilen durch die schreibende Zunft falsch oder gar nicht verstanden oder ganz einfach ignoriert, was zu einer weit verbreiteten Frustration oder gar Irritation führt. Von diesem Befund ausgehend, setzt sich das Seminar „Architekturkritik“ zum Ziel, den Studierenden Möglichkeiten und Grenzen der Architekturkritik zu vermitteln. Die Lehrveranstaltung umfasst die theoretische Reflexion, Diskussionen an konkreten Objekten sowie aktive Textarbeit. Vom mündlichen Diskurs über die schriftliche Rezension bis hin zum Bild als Medium der Kritik werden die Studierenden verschiedene Formen des kritischen Umgangs mit Architektur kennen und anwenden lernen. Des Weiteren soll anhand der Lektüre und Diskussion theoretischer und historischer Texte die Praxis der Architekturkritik selbst reflektiert werden. Schliesslich wollen wir auch darüber nachdenken, inwiefern Kritik als Instrument für den Entwurf nützlich gemacht werden kann.

Das Seminar gliedert sich in drei Abschnitte. In einer ersten Phase werden die theoretischen Grundlagen anhand der Lektüre und Diskussion einschlägiger Texte und von Referaten erfahrener Kritikerinnen und Kritiker erarbeitet. In einem zweiten Schritt werden Bauten vor Ort besucht, um anhand der direkten räumlichen und visuellen Erfahrung ein Begriffsinstrumentatrium für die Kritik zu entwickeln, aber auch den sprachlichen Ausdruck zu üben. Schliesslich rückt im dritten Teil das Handwerk in den Vordergrund, indem die Studierenden eigene Rezensionen verfassen, die nach Möglichkeit veröffentlicht werden sollen.

Reto Geiser und Martino Stierli

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