Saturday, March 20, 2010

Über die Wichtigkeit von Worten in der Architekturkritik

Entschuldigt mal: Bilder, Pläne, Modelle - was ist mit dem Wort? Ich rede nicht vom geschriebenen Wort, von irgendwelchen Texten, die aufgrund verlorener Liebesmüh oder als Lückenfüller ihren Weg aufs Layout finden und oft, wenn man sich die Lektüre überhaupt antut und nicht aufgrund der schmerzenden Anhäufung unzähliger orthographischer Fehler frühzeitig abbricht, diese kaum lohnen. Ich rede vom gesprochenen Wort, das meist vor allem anderen kommt, am Anfang einer jeden Kritik und am Anfang eines jeden Entwurfs, wenn man noch gar keine Bilder und Pläne hat, sondern vielleicht nur eine Idee und ein paar Skizzen. In Gruppenarbeiten streitet man sich darüber, wer das Ganze präsentiern "muss", anstatt genau darin die Chance zu sehen. Mit Worten kann man erklären, überzeugen, Ideen darstellen, Bilder und Stimmungen evozieren, das kreative Mitdenken und Anknüpfen des Gegenübers bewirken, ein Feld von möglichen Vorstellungen und individuellen Interpretationen eröffnen, während Bilder und Pläne es meist schliessen, fixieren in einer konkreten Vorstellung. Dass es irgendwann zu diesem fixierten Punkt kommt, liegt in der Architektur auf der Hand und geschieht endgültig wohl aber erst mit dem fertigen Bau. Bis dahin ist es jedoch ein langer Weg, und kommt es in unseren Projekten im Entwurfssemester ja nie, also plädiere ich für mehr Freiheit, für das Reden und für das Schätzen der Worte, die einen unterschätzt grossen Anteil am Entwurf ausmachen. Worte können jedoch auch das Gegenteil; dem Gezeigten widersprechen, es verunklären, zerstören oder mindestens genauso schlimm: Langweilen oder gar einschläfern. Während an der ETH allen Darstellungsformen und deren Förderung so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, dem Plan zeichnen, dem Bilder erstellen, dem Modelle bauen, wird ein mindestens genauso wichtiges Medium, zwar nicht in der Praxis aber in der Lehre vernachlässigt: das Wort. Ständig muss man alles präsentieren - aber wie man das 'gut' macht, darüber wird geschwiegen.

2 comments:

  1. Ich muss RB zustimmen. Warum gibt es keine Seminare an der ETH, oder auch anderen Architekturfakultäten, die das gesprochene Wort in den Vordergrund rücken lassen? Warum wird diese Form der Entwurfspräsentation dem Autodidaktismus überlassen?

    Natürlich könnte man behaupten, dass Pläne für sich sprechen müssen, aber sollten Architekten nicht trotzdem des gesprochenen Wortes mächtig sein und es als Chance begreifen? Gerade bei Präsentationen vor einem Laienpublikum, welche früher oder später zum Alltag gehören werden, wird gutes Reden doch zum wichtigsten Instrument. Und jeder von uns hat oft genug erlebt, wie Studenten aber auch gestandene Architekten an Präsentationen scheitern.

    Es bedarf ja keines jahrelangen Rhetorikkurses, aber es würde doch helfen, während der ersten paar Semester einige Grundsätze für sicheres Auftreten und gute Präsentationen zu legen.

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  2. ... was bei vielen anderen Studiengängen bereits zum Angebot gehört ...

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Über das Seminar "Architekturkritik"

Architekturkritik findet an der Schnittstelle von architektonischer Produktion und Öffentlichkeit statt. Sie prägt damit die Wahrnehmung und Diskussion von Architektur in der Gesellschaft entscheidend mit. Entwerfende Architektinnen und Architekten fühlen sich bisweilen durch die schreibende Zunft falsch oder gar nicht verstanden oder ganz einfach ignoriert, was zu einer weit verbreiteten Frustration oder gar Irritation führt. Von diesem Befund ausgehend, setzt sich das Seminar „Architekturkritik“ zum Ziel, den Studierenden Möglichkeiten und Grenzen der Architekturkritik zu vermitteln. Die Lehrveranstaltung umfasst die theoretische Reflexion, Diskussionen an konkreten Objekten sowie aktive Textarbeit. Vom mündlichen Diskurs über die schriftliche Rezension bis hin zum Bild als Medium der Kritik werden die Studierenden verschiedene Formen des kritischen Umgangs mit Architektur kennen und anwenden lernen. Des Weiteren soll anhand der Lektüre und Diskussion theoretischer und historischer Texte die Praxis der Architekturkritik selbst reflektiert werden. Schliesslich wollen wir auch darüber nachdenken, inwiefern Kritik als Instrument für den Entwurf nützlich gemacht werden kann.

Das Seminar gliedert sich in drei Abschnitte. In einer ersten Phase werden die theoretischen Grundlagen anhand der Lektüre und Diskussion einschlägiger Texte und von Referaten erfahrener Kritikerinnen und Kritiker erarbeitet. In einem zweiten Schritt werden Bauten vor Ort besucht, um anhand der direkten räumlichen und visuellen Erfahrung ein Begriffsinstrumentatrium für die Kritik zu entwickeln, aber auch den sprachlichen Ausdruck zu üben. Schliesslich rückt im dritten Teil das Handwerk in den Vordergrund, indem die Studierenden eigene Rezensionen verfassen, die nach Möglichkeit veröffentlicht werden sollen.

Reto Geiser und Martino Stierli

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